Märchen
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Es war einmal ein junges Paar.

Er hieß „Joe“ und  war zwei Meter groß. So groß, dass er sich, wenn er durch eine Tür ging, immer bücken musste, um sich nicht den Kopf zu stoßen. Trotzdem erreichte er nicht die Höhe eines kleinen Kirschbaumes. Doch er war schön, so schön, wie ein richtiger Prinz;

Sie hieß „Rieke“,und war eine wunderschöne Prinzessin. Viele Leute sagten, dass sie eine arme Prinzessin sei, weil sie kein Schloss besaß. 

Rieke selbst fühlte sich aber gar nicht arm.  Wenn jemand sie darauf ansprach,  sagte sie immer:

„Arm? Nein, ich bin reich,
schaut mal, ich habe alles, was nicht alle haben,
 und ich kann vieles tun, was viele andere nicht tun können.
Ich kann sehen, hören, sprechen, singen, tanzen, so vieles mehr,
und wenn ich meine Augen zumache, kann ich mir sogar ein Schloss träumen.

Und ich werde geliebt!
Was will ich mehr? Ich bin zufrieden!“

Aber Joe dachte sich, er müsse für seine kleine arme Prinzessin, für seine Liebe, ein Schloss bauen.
Zuerst mal zogen sie in eine kleine Wohnung, Rieke liebte ihren Joe sehr. Sie putzte, kochte, nähte, strickte und tat alles für ihn, damit er sich wohl fühlen konnte. Trotz ihrer vielen Arbeit war sie fröhlich und sang oder summte zu allem, was sie tat, glücklich ihre alten weichen Kinderlieder.

Bald hatte sie in ihrer Liebe alles so schön hergerichtet, dass das Wohnzimmer ihrer kleinen Wohnung fast so fein, wie ein kleines Schlosszimmer ausschaute. Überall lagen feine mit Stickereien besetzte Deckchen. Die Kissen auf dem Sofa waren genauso fein bestickt. Und die Gardinen rahmten die Fenster, fein ordentlich gesteckt , so fein ein, dass sogar die Blumen, die auf den Fensterbänken standen, sich so wohl fühlten und schöner denn je blühten.

Joe, der seine Rieke auch von Herzen liebte und alles für sie tun wollte, zog aus dem Haus und überlegte, wie er für seine Rieke schneller noch ein königliches Domizil schaffen könnte. Da nahm er eine Stelle als Vertreter eines Bausparvereins an und verkaufte vielen Leuten einen Bausparvertrag. Das machte er so gut, dass sein Chef ihm sogar, für seinen Fleiß und Einsatz, von ganz allein eine Prämie, über sein Gehalt hinaus, auszahlte.

Joe sparte kräftig und legte Schein für Schein aufeinander. Viele Scheine brauchte er, wenn er sein Ziel vom königlichen Domizil erreichen wollte.

Als er am Wochenende nach Hause kam, dachte er, dass er noch mehr arbeiten müsste, um dieses Ziel schneller zu erreichen. Er sah, was Rieke in der Zeit seiner Abwesenheit alles geschafft hatte und liebte sie von mal zu mal immer mehr. Sie, seine Prinzessin, sollte ein Schloss haben. Dafür würde er sorgen.

Aber jedes Mal trennte  er sich schweren Herzens von ihr, wenn er wieder zur Arbeit fahren musste, weil er dann ja wieder eine lange Zeit von seiner Rieke getrennt war.

Joe nährte seine unerschütterliche Meinung, dass seine Rieke nicht auf ihr Schloss verzichten sollte.

Als er wieder einmal nach der Arbeit zu seiner Rieke nach Hause kam, sah er, dass Rieke blass und schmal auf dem Küchenstuhl saß. Er erschrak sich, und als Rieke zu ihm aufsah, glitzerten noch Tränen in ihren Augen. Über allem aber, lag dennoch ein glückliches Strahlen, als sie ihm zärtlich sagte:

„Joe, wir werden ein Kind bekommen“

Erschreckt und dennoch glücklich nahm Joe seine Rieke in die Arme.

In seinem Kopf überschlugen sich die sorgenvollen Gedanken, was sollte er nur tun, er hatte doch noch kein Schloss geschaffen. Er müsste sich nun noch mehr beeilen, noch fleißiger sein und noch mehr verdienen.

Schneller noch als sonst verließ er deshalb Rieke wieder.

Er musste sich beeilen, um seiner Rieke und seinem kleinen Prinzen, das wusste er schon – es würde nur ein Prinz werden, schnell  irgendwie ein Schloss schaffen.

Rieke sah Joe mit traurigen Augen nach, als er so schnell wieder von ihr fort ging.

Vielleicht liebt er mich doch nicht mehr und freut sich nicht, dass wir nun ein Baby bekommen, dachte sie.

Mit diesen Gedanken  quälte  sie sich unterdessen allein durch den Alltag. Ihre Schwangerschaft machte ihr zu schaffen. Schon früh am Morgen war ihr schlecht. Sie konnte nichts Gekochtes riechen, sonst wurde ihr übel und sie musste sich immer wieder übergeben. Durch ihren fortwährenden Brechreiz aß sie auch nicht richtig. So kam es, dass sie blass und blasser, dünn und dünner wurde.

Das Kind unterdessen wuchs in ihrem Leib dem Leben zielstrebig entgegen.

-Fortsetzung folgt -

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